Am 30. Juni 2000, vor fast 20 Jahren, bekannte sich der Deutsche Bundestag mit dem Osterappell „Humanitäre Grundsätze in der Flüchtlingspolitik beachten“ zum umfassenden Flüchtlingsschutz. Der von Christian Schwarz-Schilling (CDU) und Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) initiierte Gruppenantrag fand breite Unterstützung bei insgesamt 230 Abgeordneten aller damals im Bundestag vertretenen Fraktionen. Anlehnend an diesen Appell fordern wir heute als Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Bundesregierung auf, sich für den Schutz von Menschenleben auf dem Mittelmeer und die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen.

Allein in 2018 sind laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks mindestens 2.275 Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ertrunken. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte deutlich höher sein. Das Sterben an den Grenzen Europas erschüttert uns zutiefst und wir sind vereint in dem Streben, diese humanitäre Katastrophe unverzüglich zu beenden und das Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen.

Menschen, die auf hoher See in Seenot geraten, vor dem Ertrinken zu retten, ist ein humanitärer Imperativ, der nicht verhandelbar ist. Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Appells, bekennen uns zu der humanitären Pflicht, dass Menschen aus Seenot gerettet und gemäß internationalem Recht in Sicherheit gebracht werden müssen.

Immer häufiger kam es in jüngster Zeit vor, dass einzelne EU Mitgliedstaaten, insbesondere Italien, die Erlaubnis zum Anlegen verweigerten. Schiffe der zivilen Seenotrettung mussten mitsamt der Geretteten an Bord tage-, zum Teil wochenlang, auf offener See unter schwierigsten Bedingungen ausharren, bevor unter den Regierungen der EU Mitgliedsstaaten eine Einigung zur Aufnahme erzielt werden konnte. Dies stellt eine zusätzliche Gefahr dar und führt zu unwürdigen Zuständen für die geretteten Menschen. Auch mit Blick auf die humanitären Grundsätze der Europäischen Union ist dies nicht hinnehmbar. Es darf nicht sein, dass die im See- und Völkerrecht verbriefte Pflicht zur Rettung auf hoher See in Frage gestellt wird. Schiffskapitäne sollen nicht befürchten müssen, für die Rettung und Ausschiffung strafrechtlich verfolgt zu werden. Die Ausschiffung in einen sicheren Hafen muss international vorhersehbar, transparent und verlässlich geregelt werden. Sonst drohen Handelsschiffen, die zur Seenotrettung verpflichtet sind, aus der Erfüllung dieser Pflicht unkalkulierbare wirtschaftliche Risiken zu erwachsen.

Menschenrechtsorganisationen, aber auch das Auswärtige Amt, schildern immer wieder eindrücklich, wie katastrophal die Lage für Schutzsuchende in Libyen ist. Das Land, in dem die gewaltsamen Konflikte um die politische Vorherrschaft jüngst wieder eskaliert sind, verfügt über kein Asylsystem und hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert. Libyen erkennt zudem die Tätigkeit des UN- Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) auf libyschem Territorium formal nicht an. Rund 5.700 Menschen sind willkürlich und unter menschenunwürdigen Bedingungen in offiziellen, staatlich betriebenen Lagern interniert. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl inoffizieller Lager, in denen die Bedingungen noch schlechter sind. Schutzsuchende sind in Libyen ausnahmslos schwersten

Menschenrechtsverletzungen, wie Folter, Misshandlung, sexueller Gewalt, Ausbeutung und Zwangsarbeit, ausgesetzt, bis hin zu willkürlichen Hinrichtungen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Appells, stellen daher fest, dass Menschen, die auf der Suche nach Schutz in Seenot geraten sind, aufgrund der menschenrechtlich unhaltbaren Zustände in Libyen nicht dorthin zurück verbracht werden dürfen. Dies würde klar im Widerspruch zum im Völkerrecht verankerten Non-Refoulement-Gebot stehen.

Wir nehmen zur Kenntnis und unterstützen, dass sich die zivile Seenotrettung aus dem Umstand heraus organisiert hat, dass die europäischen Mitgliedstaaten keine eigene Seenotrettung etabliert haben. Dass eine wachsende Zahl an Städten und Gemeinden in Deutschland und Europa sich zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen bereit erklärt, ist ein klarer Appell an die europäischen Regierungen, der politisch ernst zu nehmen ist.

Mit dem Wissen hierüber stellen wir folgende Forderungen an die Bundesregierung:

1. Die Bundesregierung muss sich in der EU und bei den Mitgliedstaaten für den Aufbau eines europäisch organisierten und finanzierten zivilen Seenotrettungssystems einsetzen.
2. Die Bundesregierung muss sich, notfalls mit einer Koalition williger EU Mitgliedsstaaten, für einen an humanitären und rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Verteilmechanismus von allen aus Seenot geretteten Menschen einsetzen. Auf dem Mittelmeer geretteten Menschen darf der Zugang zu einem fairen Asylverfahren nicht verwehrt werden.
3. Der Bundesinnenminister muss den Kommunen und Gemeinden, die freiwillig aus Seenot gerettete Menschen aufnehmen wollen, so schnell wie möglich eine Zusage erteilen und bei der konkreten Aufnahme dieser Schutzsuchenden unterstützen.
4. Wir fordern die Bundesregierung und die europäischen Regierungen eindringlich dazu auf, sich für die unverzügliche Freilassung aller internierten Schutzsuchenden in Libyen einzusetzen und die zügige Evakuierung nach Niger sowie die Aufnahme durch das Resettlementprogramm der Vereinten Nationen zu unterstützen.

Unterzeichnerinnen- und Unterzeichnerliste:

Fraktion

B90/Die Grünen B90/Die Grünen CDU
CDU

FDP
FDP
SPD
SPD
DIE LINKE
DIE LINKE B90/Die Grünen B90/Die Grünen CDU

CDU
FDP
FDP
SPD
SPD
DIE LINKE DIE LINKE SPD

SPD
B90/Die Grünen SPD
B90/Die Grünen SPD
B90/Die Grünen B90/Die Grünen

3

1. Köhler
2. Strasser
3. Vogt
4. Akbulut
5. Grundl
6. Lischka
7. Brugger
8. Schmidt
9. Strengmann-Kuhn
10. Gremmels
11. Juratovic
12. Korte
13. Nord
14. Gehring
15. Renner
16. Buchholz
17. Pflüger
18. Rüffer
19. Mattheis
20. Kaiser
21. Nissen
22. Andreae
23. Krellmann
24. Högl
25. Perli
26. Schraps
27. Bayaz
28. Birkwald
29. Brunner
30. Neu
31. Walter-Rosenheimer

Lukas Benjamin Ute Gökay Erhard Burkhard Agnieszka Stefan Wolfgang Timon Josip

Jan
Thomas
Kai
Martina Christine Tobias Corinna Hilde Elisabeth Ulli
Kerstin Jutta
Eva
Victor Johannes Danyal Matthias W. Karl-Heinz Alexander S. Beate

FDP
FDP
SPD
DIE LINKE B90/Die Grünen SPD

B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen SPD

SPD
DIE LINKE
DIE LINKE B90/Die Grünen DIE LINKE
DIE LINKE
DIE LINKE B90/Die Grünen SPD
SPD
SPD
B90/Die Grünen DIE LINKE
SPD
DIE LINKE
SPD
B90/Die Grünen DIE LINKE
SPD
DIE LINKE B90/Die Grünen

4

1. Dörner
2. Gohlke
3. Stein
4. Weinberg
5. Hahn
6. Bas
7. Rüthrich
8. Stumpp
9. Müller-Gemmeke
10. Rimkus
11. Gysi
12. Link
13. Schulz
14. De Ridder
15. Hofreiter
16. Fricke
17. Groß
18. Gelbhaar
19. Kühn
20. Lindner
21. Rößner
22. Bull-Bischoff
23. Hagedorn
24. Wiese
25. De Masi
26. Lühmann
27. Haßelmann
28. Krischer
29. Kotting-Uhl
30. Keul
31. Schmidt

Katja Nicole Mathias Harald André Bärbel Susann Margit Beate Andreas Gregor Michael Swen Daniela Anton Otto Michael Stefan Stephan Tobias Tabea Birke Bettina Dirk Fabio Kirsten Britta Oliver Sylvia Katja Frithjof

Georg

B90/Die Grünen DIE LINKE
SPD
DIE LINKE

DIE LINKE
SPD
SPD
B90/Die Grünen B90/Die Grünen SPD

DIE LINKE
FDP
SPD
SPD
B90/Die Grünen FDP

SPD
B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen Die LINKE
SPD
SPD
DIE LINKE
SPD
B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen

5

1. Künast
2. Zickenheiner
3. Trittin
4. Tressel
5. Badum
6. Lazar
7. Ostendorff
8. Kekeritz
9. Nouripour
10. Schulz-Asche
11. Wagner
12. Brantner
13. Mihalic
14. Hoffmann
15. Janecek
16. Gastel
17. Rottmann
18. Kindler
19. Kappert-Gonther
20. Bayram
21. Klein-Schmeink
22. Lehmann
23. Schauws
24. Von Holtz
25. Kühn
26. Dröge
27. Lemke
28. Müller
29. Christmann
30. Deligöz
31. Ebner

Renate Gerhard Jürgen Markus
Lisa
Monika Friedrich
Uwe
Omid
Kordula Daniela Franziska Irene
Bettina
Dieter Matthias Manuela Sven-Christian Kirsten

Canan Maria Sven
Ulle Ottmar Christian Katharina Steffi Claudia Anna Ekin Harald

B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen

6

122. Özdemir 123. Paus
124. Hajduk 125. Kurth
126. Verlinden 127. Nestle 128. Esdar
129. Steffen 130. Özdemir 131. Heidenblut 132. Schmidt

133. Yüksel 134. Stadler 135. Fahimi

136. Diaby

137. Baradari 138. Bartsch 139. Gabelmann

140. Zdebel 141. Movassat 142. Kessler

143. Leidig 144. Müller

145. Tackmann

146. Domscheit-Berg 147. Krellmann

148. Dehm

149. Mohamed Ali 150. Lenkert

151. Renner 152. Höhn

Cem
Lisa
Anja Markus Julia Ingrid Wiebke Sonja Mahmut Dirk Dagmar Gülistan Svenja Yasmin Karamba Nezahat Dietmar Sylvia Hubertus Niema Achim Sabine Norbert Kirsten Anke Jutta Diether Amira Ralph Martina Matthias

B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen B90/Die Grünen SPD

SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE

7

153. Sitte
154. Pellmann 155. Leutert 156. Kassner 157. Steinke 158. Lutze 159. Achelwilm 160. Pflüger 161. Tatti
162. Hänsel 163. Hahn

164. Kipping 165. Riexinger 166. Barrientos

167. Dagdelen

168. Kassner 169. Freihold 170. Lötsch

171. Schüle 172. Poschmann 173. Grötsch

174. Hocker 175. Fechner

176. Kolbe

177. Tack 178. Ortleb

179. Bahr

180. Nastic 181. Möhring

182. Esken 183. Ernst

Petra Sören Michael Kerstin Kersten Thomas Doris Tobias Jessica Heike André Katja Bernd Simone Sevim Kerstin Brigitte Gesine Manja Sabine Uli
Gero Johannes Daniela Kerstin Josephine Ulrike Zaklin Cornelia Saskia Klaus

DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE DIE LINKE SPD

SPD
SPD
FDP
SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
DIE LINKE DIE LINKE SPD

DIE LINKE

8

184. Wagner
185. Beutin
186. Schmidt 187. Ferschl
188. Scheer
189. Griese
190. Burkert
191. Brandenburg 192. Pau

193. Junge 194. Gerster

195. Hendricks 196. Kapschack 197. Rosemann

198. Breymaier

199. Schreiber 200. Schäfer
201. Stamm-Fibich

202. Dittmar 203. Hunko 204. Rix

205. Meiser 206. Mohrs

207. Kober

208. Schwartze 209. Kaczmarek

210. Schrodi

211. Mast 212. de Vries

213. Grütters 214. Tillmann

Andreas Lorenz Gösta Ulla
Susanne Nina
Kerstin Martin
Jens
Petra
Frank
Martin Barbara
Ralf
Martin
Leni Eva-Maria Axel
Martina Sabine Andrej Sönke
Pascal
Falko
Pascal Stefan
Oliver Michael Katja
Kees
Monika Antje

DIE LINKE DIE LINKE SPD
DIE LINKE SPD

SPD
SPD
FDP
DIE LINKE SPD

SPD
SPD
SPD
SPD
SPD
DIE LINKE SPD

SPD
SPD
DIE LINKE SPD
DIE LINKE SPD
FDP
SPD
SPD
SPD
SPD
CDU
CDU
CDU

9

10